Freiheitsdressur/Basics

Von Nichts kommt Viel! Die Wichtigkeit von Pausen im Pferdetraining

Anna Karina und Paco.

Das Pferdetraining ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe, die sowohl den Pferdetrainer als auch das Pferd vor Herausforderungen stellt. Pausen während einer Trainingseinheit sind fundamental für den Lernprozess des Pferdes sowie für die Erhaltung seiner mentalen und körperlichen Gesundheit und werden oft unterschätzt.

In diesem Beitrag werde ich näher auf die Rolle von Pausen im Pferdetraining eingehen. Allzu oft sieht man, dass Pferde während einer ganzen Stunde oder länger gearbeitet werden, ohne auch nur einen Moment innezuhalten. Eine Lektion folgt auf die andere, und dabei werden Pausen für das Pferd komplett vergessen (und auch für den Trainer!).

Pausen gegen Frust

Wenn die Pausen zwischen den einzelnen Trainingssequenzen zu kurz oder gar nicht vorhanden sind, werden die Pferde häufig unruhig und haben eine niedrigere Frustrationstoleranz. Dies kann zu Fehlverhalten führen und den Lernerfolg beeinträchtigen. Kurze Pausen von etwa ein bis fünf Minuten nach einem kleinen Teilerfolg im Training ermöglichen es dem Pferd, durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da gestresste Pferde nicht effektiv lernen können. Auch positiver Stress, wie zum Beispiel übersteigerte Futtermotivation, mindert den Erfolg.

Gib deinem Pferd mehr Kontrolle

Außerdem wirkt es entspannend und beruhigend auf das Pferd, wenn wir ihm eine gewisse Kontrolle geben und es aktiv Einfluss auf das Training nehmen lassen. Beispiel: Ich möchte dem Pferd beibringen, dass es mit der Schulter von der Gerte weicht, wenn ich es mit der Gerte in die gewünschte Richtung weise. Ich zeige also mit der Gerte auf die Schulter (Signal), das Pferd reagiert prompt und vorausschauend (antizipiert), dann folgt eine Pause. Natürlich gebe ich die Pause nicht, wenn das Pferd sich widersetzt oder gar nicht reagiert. In diesem Fall sollte der Reiz sukzessive gesteigert werden, bis eine Verbesserung eintritt. Denn das Pferd lernt nicht durch den Reiz selbst, sondern durch das Aufhören des Reizes – also durch die Pause im richtigen Moment.

Vom Reiz zum Signal

Das Pferd lernt: Reiz (Gerte zeigt auf Schulter) + Antizipation = keine Verstärkung = Reiz geht weg = Situation unter Kontrolle = Entspannung. So wird mit der Zeit aus einem Reiz ein Signal, und das Pferd kontrolliert mit seiner Reaktion die Situation. Ein weiterer positiver Effekt von mehr Pausen während dem Training mit deinem Pferd ist, dass dein Pferd die Zeit, die es mit dir verbringt, nicht vorwiegend mit Arbeit verbindet. Im besten Fall erlebt es mindestens genauso viel angenehme Entspannung in deiner Anwesenheit.

Auch nach positiver Verstärkung eine kurze Pause machen

Auch Pausen nach Belohnungen in Form von Futter sind wichtig. Diese Pause ermöglicht es dem Pferd nicht nur, die Belohnung zu kauen und zu genießen, sondern auch, die Verbindung zwischen der Leistung und der Belohnung zu festigen. Achtung: Pausen sind nur dann wirkungsvoll, wenn das Pferd nicht „bettelt“. Die Erwartungshaltung (Betteln) verhindert ebenfalls, dass das Pferd entspannt das Gelernte verarbeiten kann. Eine klare Struktur im Umgang mit positiver Verstärkung (Futter) und die Vermeidung von spontaner Belohnung können dazu beitragen, dass das Pferd entspannter und fokussierter bleibt.

Je grösser der Erfolg desto länger die Pause

Eine weitere wichtige Überlegung ist, dass je schwieriger die Aufgabe ist, desto länger die Pause nach einer gelungenen Wiederholung sein sollte. Schwierigere Aufgaben erfordern mehr mentale Anstrengung und Belastung. Eine ausgedehnte Pause ermöglicht es dem Pferd, sich zu erholen und die nötige mentale Frische für die nächste Herausforderung zu gewinnen. Während dieser Pausen solltest du dein Pferd nicht anschauen oder ansprechen. Das Pferd kann am besten abschalten, wenn es für einen Moment vollkommen in Ruhe gelassen wird.

Zuwendung während der Pausen, auch wenn sie gut gemeint ist, wird den Entspannungsprozess des Pferdes stören. Denn während wir mit ihm interagieren, muss es uns ständig „lesen“, um unsere nächsten Absichten zu verstehen.

Insgesamt sind Pausen im Pferdetraining von entscheidender Bedeutung, sowohl für das Lernen des Pferdes als auch für sein Wohlbefinden.

Selbstanalyse

Tipp: Es kann hilfreich sein, wenn du eine gesamte Trainingseinheit filmst und genau beobachtest, wie viele Pausen du und dein Pferd effektiv einhalten. Dabei kannst du auch wunderbar feststellen, ob dein Pferd die Pausen versteht und tatsächlich in die Entspannung kommt, wenn du dich von ihm abwendest.

Senkt es den Kopf und bleibt stehen? Das ist ein gutes Zeichen! Dein Pferd hat verstanden, dass es für einen Moment gar nichts tun muss und fühlt sich wohl in deiner Nähe. Läuft oder galoppiert dein Pferd davon, wenn du das Training unterbrichst? Das kann ein Zeichen dafür sein, dass dein Pferd noch mehr Vertrauen fassen muss. Vielleicht ist auch die Ablenkung aus der Umwelt noch zu groß für seinen derzeitigen Ausbildungsstand (Stallgenossen rennen auf die Koppel, Ablenkungen durch Hengste, Fohlen oder fremde Pferde oder weil gerade Fütterungszeit ist).

Bietet dein Pferd dir alle möglichen Lektionen und Kunststücke an, die es kennt, scharrt am Boden oder schubst dich an? Das deutet darauf hin, dass dein Pferd in einer Erwartungshaltung nach Futter ist. Hier kann es helfen, wenn du dein Lob mit Futter gezielter einsetzt, sodass es für dein Pferd vorausschaubar wird, wann es ein Futterlob zu erwarten hat und wann nicht.

Die Kunst besteht darin, das richtige Gleichgewicht zwischen Aktivität und Ruhe zu finden. Und ein gutes Timing für die Pausen zwischen den einzelnen Übungen zu entwickeln, so das diese verstärkend beziehungsweise belohnend wirken. Möglicherweise kannst du mit gezieltem Nichtstun an den richtigen Stellen schon eine grosse Wirkung erzeugen.

Ich wünsche dir eine entspannte Zeit und viel Erfolg beim ausprobieren.